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Vollständige Predigt des Bischofs Clemens August von Galen

Predigt und Texte, die Bischof Clemens August von Galen (der Löwe von Münster) am 3. August 1941 in der Lamberti-Kirche zu Münster hielt. Hier sind der Originaltext der Predigt und weitere Texte aus dem Gottesdienst am 3. August 1941. Die Hervorhebungen (Fettschrift) wurde von uns gemacht - zur besseren übersicht über den Text. Hand zeigt nach rechts Da finden Sie den Predigttext so, wie er von uns im Projekt Historische Predigten rezitiert wurde.

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Bischof Graf von Galen begann seinen Gottesdienst mit Mitteilungen. Dies ist der Text dieser mutigen Abkündigungen:

1. Ich muß leider mitteilen, daß die Gestapo auch in dieser Woche ihren Vernichtungskampf gegen die katholischen Orden fortgesetzt hat. Am Mittwoch, den 30.7. hat die Gestapo das Provinzialhaus der Schwestern Unserer lieben Frau in Mülhausen (Kreis Kempen), das früher zum Bistum Münster gehörte, besetzt und für aufgehoben erklärt. Die Schwestern, von denen viele aus dem Bistum Münster stammen, wurden zum größten Teil ausgewiesen und noch am gleichen Tage mußten sie den Kreis Kempen verlassen. Nach glaubwürdigen Nachrichten ist am Donnerstag, den 31.7 das Kloster der Missionare von Hiltrup in Hamm ebenfalls von der Gestapo besetzt und beschlagnahmt worden. Die dort weilenden Patres sind ausgewiesen.

2. Ich habe bereits am 13.7 hier in der Lambertikirche, nach der Vertreibung der Jesuiten und Missionsklarissen aus Münster öffentlich festgestellt: "Keiner der Bewohner dieser Klöster ist eines Vergehens oder eines Verbrechens beschuldigt, vor Gericht angeklagt oder verurteilt." Wie ich höre, werden jetzt in Münster Gerüchte verbreitet, daß diese Ordensleute, insbesondere die Jesuiten, doch wegen gesetzeswidriger Verfehlungen, ja sogar wegen Landesverrat angeklagt und sogar überführt worden seien.

Ich erkläre: Das ist gemeine Verleumdung deutscher Volksgenossen, unserer Brüder u. Schwestern, die wir uns nicht gefallen lassen. Gegen einen Burschen, der vor Zeugen es wagte, derartiges zu behaupten, habe ich bereits Strafanzeige beim Herrn Oberstaatsanwalt erstattet. Ich spreche die Erwartung aus, daß der Mann schleunigst zur Verantwortung gezogen wird, und daß unsere Gerichte noch den Mut haben, Verleumder, die es wagen, unbescholtenen Volksgenossen, nachdem man ihnen ihr Eigentum geraubt hat, auch noch die Ehre zu rauben, zur Verantwortung zu ziehen und zu bestrafen. -

Ich fordere alle meine Zuhörer auf, ja alle anständigen Mitbürger, von heute ab, falls in ihrer Gegenwart solche Anschuldigungen gegen die aus Münster ausgewiesenen Ordensleute ausgesprochen werden, sofort den Namen und die Wohnung des Anklägers und der etwa anwesenden Zeugen festzustellen. Ich hoffe, es gibt hier in Münster noch Männer, die den Mut haben, zur gerichtlichen Klarstellung solcher Beschuldigungen, die die Volksgemeinschaft vergiften, durch offenes Eintreten ihrer Person ihren Namen nötigenfalls mit ihrem Eide mitzuwirken. Diese bitte ich, falls vor ihnen solche Beschuldigungen gegen unsere Ordensleute ausgesprochen werden, alsbald ihren Pfarrer oder auch dem Bischöflichen Generalvikariat Meldung zu erstatten und das zu Protokoll zu geben. -

Ich bin es der Ehre unserer Ordensleute, der Ehre unserer heiligen katholischen Kirche und auch der Ehre unseres deutschen Volkes und unserer Stadt Münster schuldig, daß ich durch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft für gerichtliche Klarstellung des Tatbestandes und für die Bestrafung gemeiner Verleumder unserer Ordensleute Sorge trage.

 

Die Predigt des Bischofs von Münster im Original

Meine lieben Diözesanen!

Eine erschütternde Begebenheit ist es, die das Evangelium berichtet: Jesus weint! Der Sohn Gottes weint! - Wer weint, der leidet Schmerzen; Schmerzen am Leibe oder am Herzen. Jesus litt damals noch nicht dem Leibe nach; und doch weinte er. Wie groß muß der Seelenschmerz, das Herzensweh dieses tapfersten der Männer gewesen sein, daß er weinte! - Warum weinte er?

Er weinte über Jerusalem, über die heilige, ihm so teure Gottesstadt, die Hauptstadt seines Volkes. Er weinte über ihre Bewohner, seine Volksgenossen, weil sie nicht erkannten, was allein die von seiner Allwissenheit vorausgesehenen, von seiner göttlichen Gerechtigkeit vorherbestimmten Strafgerichte abwenden könnte: "Wenn Du doch erkenntest, was dir zum Frieden dient!" Warum erkennen es die Bewohner Jerusalems nicht? Nicht lange vorher hatte es Jesus ausgesprochen: "Jerusalem, Jerusalem! - Wie oft wollte ich Deine Kinder versammeln wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt, aber du hast nicht gewollt!" Du hast nicht gewollt! Ich, Dein König, Dein Gott, ich wolltet Aber du wolltest nicht! Wie geborgen, wie behütet, wie beschützt ist das Küchlein unter den Flügeln der Henne; sie wärmt es, sie nährt es, sie verteidigt es. So wollte ich dich beschützen, behüten, gegen jedes Ungemach dich verteidigen; ich wollte! Du hast nicht gewollt!

Darum weint Jesus, darum weint dieser starke Mann.

Darum weint Gott! über die Torheit, über des Unrecht über das Verbrechen des Nichtwollens! Und über das daraus entstehende Unheil, das seine Allwissenheit kommen sieht, das seine Gerechtigkeit verhängen muß, wenn der Mensch den Gaben Gottes, allen Mahnungen des Gewissens, allen liebevollen Einladungen des göttlichen Freundes, des besten Vaters, sein Nichtwollen entgegensetzt. "Wenn du es doch erkenntest! Aber du hast nicht gewollt!" Es ist etwas Furchtbares, etwas unerhört Ungerechtes und Verderbenbringendes, wenn der Mensch seinen Willen gegen Gottes Willen stellt! - Ich wollte! Du hast nicht gewollt! Darum weint Jesus über Jerusalem.

Andächtige Christen!

In dem am 6.7. in allen Kirchen Deutschlands verlesenen Hirtenbrief der deutschen Bischöfe heißt es unter anderem: "Gewiß gibt es nach der katholischen Sittenlehre positive Gebote, die nicht mehr verpflichten, wenn ihre Erfüllung mit allzu großen Schwierigkeiten verbunden ist. Es gibt aber auch heilige Gewissensverpflichtungen, von denen uns niemand befreien kann, und die wir erfüllen müssen, koste es uns selbst das Leben: Nie, unter keinen Umständen darf der Mensch außerhalb des Krieges und der gerechten Notwehr einen Unschuldigen töten!"

Ich hatte schon am 6.7 Veranlassung, diesen Worten des gemeinsamen Hirtenbriefes in Telgte folgende Erläuterung hinzuzufügen:

"Seit einigen Monaten hören wir Berichte, daß aus Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt werden. Regelmäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mitteilung, der Kranke sei verstorben, die Leiche sei verbrannt, die Asche könne abgeliefert werden.- Allgemein herrscht der an Sicherheit grenzende Verdacht, daß diese zahlreichen unerwarteten Todesfälle von Geisteskranken nicht von selbst eintreten, sondern absichtlich herbeigeführt werden, und daß man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe sogenanntes lebensunwertes Leben vernichten, also unschuldige Menschen töten, wenn man meint ihr Leben sei für Volk und Staat nichts mehr wert. Eine Lehre, die furchtbar ist, die die Ermordung Unschuldiger rechtfertigen will, die die gewaltsame Tötung der nicht mehr arbeitsfähigen lnvaliden, Krüppel, unheilbar Kranken, Altersschwachen grundsätzlich freigibt."

 

Wie ich zuverlässig erfahren habe, werden jetzt auch in den Heil- und Pflegeanstalten der Provinz Westfalen Listen aufgestellt von solchen Pfleglingen, die als sogenannte "unproduktive Volksgenossen" abtransportiert und in kurzer Zeit ums Leben gebracht werden sollen.

Aus der Anstalt Marienthal bei Münster ist im Laufe dieser Woche der Transport abgegangen! - Deutsche Männer und Frauen! Noch hat Gesetzeskraft der § 211 des Strafgesetzbuches, der bestimmt: "Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit überlegung ausführt, wegen Mordes mit dem Tode bestraft." - Wohl um diejenigen, die jene armen kranken Menschen, Angehörige unserer Familien, vorsätzlich töten, vor dieser gesetzlichen Bestrafung zu bewahren, werden die zur Tötung bestimmten Kranken aus der Heimat abtransportiert in eine entfernte Anstalt. Als Todesursache wird dann eine Krankheit irgendwelcher Art angegeben. Da die Leiche sogleich verbrannt wird, können die Angehörigen und auch die Kriminalpolizei es hinterher nicht mehr feststellen, ob die Krankheit wirklich vorgelegen hat und welche Todesursache vorlag.

Es ist mir versichert worden, daß man im Reichsministerium des Innern und auf der Dienststelle des Reichsärzteführers Dr. Conti gar kein Hehl daraus machte, daß tatsächlich schon eine große Zahl von Geisteskranken in Deutschland vorsätzlich getötet worden ist und in Zukunft getötet werden soll.

Das Strafgesetzbuch bestimmt in §139: "Wer von dem Vorhaben eines Verbrechens wider das Leben glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird bestraft." Als ich von dem Vorhaben erfuhr, Kranke aus Marienthal abzutransportieren, um sie zu töten, habe ich am 28. 7. bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Münster und beim Herrn Polizeipräsidenten in Münster Anzeige erstattet durch eingeschriebenen Brief mit folgendem Inhalt: "Nach mir zugegangenen Nachrichten soll im Laufe dieser Woche (man spricht vom 31.7) eine große Anzahl Pfleglinge der Provinzialheilanstalt Marienthal bei Münster als sogenannte "unproduktive Volksgenossen nach der Heilanstalt Eichberg überführt werden, um dann alsbald wie es nach solchen Transporten aus anderen Heilanstalten nach allgemeiner überzeugung geschehen ist, vorsätzlich getötet zu werden.

Da ein derartiges Vergeben nicht nur dem göttlichen und natürlichen Sittengesetz widerstrebt, sondern auch als Mord nach §211 Strafgesetzbuch mit dem Tode zu bestrafen ist, erstatte ich gemäß §139 Str.G.B. pflichtgemäß Anzeige und bitte die bedrohten Volksgenossen unverzüglich durch Vorgehen gegen den Abtransport und die Ermordung beabsichtigenden Stellen zu schützen und mir von dem Veranlaßten Nachricht zu geben.

Nachricht über ein Einschreiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei ist mir nicht zugegangen. - Ich hatte bereits am 26.7 bei der Provinzialverwaltung der Provinz Westfalen, der die Anstalten unterstehen, der die Kranken zur Pflege und Heilung anvertraut sind, schriftlich ernstesten Einspruch erhoben. Es hat nichts genutzt! Der erste Transport der schuldlos zum Tode Verurteilten ist von Marienthal abgegangen! Und aus der Heilanstalt Warstein sind, wie ich höre, bereits 800 Kranke abtransportiert.

 

So müssen wir damit rechnen, daß die armen wehrlosen Kranken über kurz oder lang umgebracht werden.

Warum? Nicht weil sie ein todeswürdiges Verbrechen begangen haben, nicht etwa, weil sie ihren Wärter oder Pfleger angegriffen haben, so daß diesem nichts anderes übrig blieb, als daß er zur Erhaltung des eigenen Lebens in gerechter Notwehr dem Angreifer mit Gewalt entgegentrat. Das sind Fälle, in denen neben der Tötung des bewaffneten Landesfeindes im gerechten Krieg Gewaltanwendung bis zur Tötung erlaubt und nicht selten geboten ist.

Nein, nicht aus solchen Gründen müssen jene unglücklichen Kranken sterben, sondern darum, weil sie nach dem Urteil irgendeines Arztes, nach dem Gutachten irgendeiner Kommission "lebensunwert" geworden sind, weil sie nach diesen Gutachten zu den "unproduktiven Volksgenossen" gehören. Man urteilt: sie können nicht mehr Güter produzieren, sie sind wie eine alte Maschine, die nicht mehr läuft, sie sind wie ein altes Pferd, das unheilbar lahm geworden ist, sie sind wie eine Kuh, die nicht mehr Milch gibt. Was tut man mit solch einer alten Maschine? Sie wird verschrottet! Was tut man mit solch einem lahmen Pferd, mit solch einem unproduktiven Stück Vieh?

Nein, ich will den Vergleich nicht bis zu Ende führen, so furchtbar seine Berechtigung ist und seine Leuchtkraft! Es handelt sich hier ja nicht um Maschinen, es handelt sich nicht um Pferd oder Kuh, deren einzige Bestimmung ist, dem Menschen zu dienen, für den Menschen Güter zu produzieren! Man mag sie zerschlagen, man mag sie schlachten, sobald sie diese Bestimmung nicht mehr erfüllen! Nein, hier handelt es sich um Menschen, unsere Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern! Arme Menschen - unproduktive Menschen, meinetwegen - ‚aber haben sie dadurch das Recht zu leben verwirkt? Hast Du, habe ich nur solange ein Recht zu leben, solange wir produzieren, solange wir von andern als produktiv anerkannt werden?

Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet daß man den unproduktiven Menschen töten darf dann wehe uns allen, wenn wir altersschwach werden!

Wenn man die unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe den Invaliden, die im Produktionsprozeß ihre Kraft, ihre gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! Wenn man die unproduktiven Menschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe unseren braven Soldaten, die als Schwerkriegsverletzte, als Krüppel, als Invaliden in die Heimat zurückkehren!

Wenn einmal zugegeben wird, daß Menschen das Recht haben, unproduktive Mitmenschen zu töten, und es jetzt zunächst arme und wehrlose Geisteskranke trifft, dann ist grundsätzlich der Mord an allen unproduktiven Menschen, also an unheilbar Kranken, den arbeitsunfähigen Krüppeln, den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben.

Dann braucht nur irgendein Geheimerlaß anzuordnen, daß das bei den Geisteskranken erprobte Verfahren auch auf andere "Unproduktive" anzuwenden sei. Dann ist keiner von uns seines Lebens sicher. Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der Unproduktiven setzen, die nach ihrem Urteil lebensunwert geworden sind. Und keine Polizei wird ihn schützen, kein Gericht wird seine Ermordung ahnden und den Mörder der verdienten Strafe übergeben. - Wer kann dann noch Vertrauen haben zu einem Arzt? Vielleicht meldet er den Kranken als unproduktiv und erhält die Anweisung, ihn zu töten! -

Es ist nicht auszudenken, welche Verwilderung der Sitten, welch allgemeines gegenseitiges Mißtrauen bis in die Familien hineingetragen wird, wenn diese furchtbare Lehre geduldet, angenommen und befolgt wird! Wehe den Menschen, wehe unserem deutschen Volke, wenn das heilige Gottesgebot: "Du sollst nicht töten", das der Herr unter Blitz und Donner auf Sinai verkündet hat, das Gott, unser Schöpfer, von Anfang an in das Gewissen der Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten wird, sondern wenn diese übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt wird!

Ich will Euch ein Beispiel sagen von dem, was jetzt geschieht:

In Marienthal war ein Mann von 55 Jahren, ein Bauer aus einer Landgemeinde des Münsterlandes, ich könnte Euch den Namen nennen, der seit einigen Jahren unter Geistesstörungen leidet und den man daher der Provinzialheil - und Pflegeanstalt zur Pflege anvertraut hatte. Er war nicht ganz verrückt, er konnte Besuch empfangen und freute sich immer, sooft seine Angehörigen kamen. Noch vor 14 Tagen hatte er Besuch von seiner Frau und einem seiner Söhne, der als Soldat an der Front steht und Heimaturlaub hatte. Der Sohn hing sehr an seinem kranken Vater. So war der Abschied schwer: Wer weiß, ob der Soldat wiederkommt und den Vater wiedersieht, denn er kann ja im Kampf für die Volksgenossen fallen! Der Sohn, der Soldat wird wohl sicher den Vater auf Erden nicht wiedersehen; denn er ist seitdem auf die Liste der Unproduktiven gesetzt. Ein Verwandter, der in dieser Woche den Vater besuchen wollte in Marienthal, wurde abgewiesen mit der Auskunft, der Kranke sei auf Anordnung des Ministerrates für Landesverteidigung von hier abtransportiert; wohin, könne nicht gesagt werden. - Wie wird diese Nachricht lauten? Wieder sowie in anderen Fällen? Daß der Mann gestorben sei, daß die Leiche verbrannt sei, daß die Asche gegen Entrichtung einer Gebühr abgeliefert werden könne! Dann wird der Sohn, der im Felde steht und für die deutschen Volksgenossen sein Leben einsetzt, den Vater auf Erden nicht mehr sehen, weil deutsche Volksgenossen in der Heimat ihn um‘s Leben gebracht haben!!! Die von mir hier ausgesprochenen Tatsachen stehen fest! Ich kann den Namen des kranken Mannes, seiner Frau, seines Sohnes, der Soldat ist, nennen und den Ort, wo sie wohnen!

Du sollst nicht töten!

Gott hat dieses Gebot in das Gewissen der Menschen geschrieben, längst ehe ein Strafgesetzbuch den Mord mit Strafe bedrohte, längst ehe ein Staatsanwalt und Gericht den Mord verfolgte und ahndete. Kain, der seinen Bruder Abel erschlug, war ein Mörder, lange bevor es Staaten und Gerichte gab. Und er bekannte gedrängt von der Anklage seines Gewissens: "Größer ist meine Missetat, als daß ich Verzeihung finden könnte. Jeder, der mich findet, wird mich, den Mörder, töten!"

"Du sollst nicht töten!"

Dieses Gebot Gottes, des einzigen Herrn, der das Recht hat, über Leben und Tod zu befinden, war von Anfang an in die Herzen der Menschen geschrieben, längst bevor Gott den Kindern Israels am Berge Sinai sein Sittengesetz mit jenen lapidaren, in Stein gehauenen kurzen Sätzen verkündet hat, die uns in der Heiligen Schrift aufgezeichnet sind, die wir als Kinder aus dem Katechismus auswendig gelernt haben. "Ich bin der Herr, dein Gott!" So hebt dieses unabänderliche Gesetz an. "Du sollst keine fremden Götter neben dir haben!" Der einzige, ewige, überweltliche, allmächtige, allwissende Schöpfer und einstige Richter! Aus Liebe zu uns hat er diese Gebote in unseren Herzen eingeschrieben und sie verkündet denn sie entsprechen dem Bedürfnis unserer von Gott geschaffenen Natur; sie sind die unabdingbaren Normen eines vernunftgemäßen, eines gottgefälligen, eines heilbringenden und heiligen Menschenlebens und Gemeinschaftslebens!

Gott, unser Vater, will mit diesen Geboten uns, seine Kinder, sammeln, wie die Henne ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel. Wenn wir Menschen diesen Befehlen, diesen Einladungen, diesem Rufe Gottes folgen, dann sind wir behütet, beschützt, von Unheil bewahrt, gegen das drohende Verderben verteidigt, wie das Küchlein unter den Flügeln der Henne! "Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe ich Deine Kinder sammeln wollen, wie die Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt Aber du hast nicht gewollt!" Soll das auf‘s neue wahr werden in unserem deutschen Vaterland, in unserer westfälischen Heimat in unserer Stadt Münster? Wie steht es in Deutschland, wie steht es hier bei uns mit dem Gehorsam gegen die göttlichen Gebote?

Das 8. Gebot "Du sollst nicht lügen; du sollst kein falsches Zeugnis geben!" Wie oft wird es frech, auch öffentlich verletzt!

Das 7. Gebot "Du sollst nicht fremdes Gut dir aneignen!"

Wessen Eigentum ist noch sicher nach der willkürlichen und rücksichtslosen Enteignung des Eigentums unserer Brüder und Schwestern, die katholischen Orden angehören! Wessen Eigentum ist geschützt, wenn dieses widerrechtlich beschlagnahmte Eigentum nicht zurückerstattet wird?

Das 6. Gebot "Du sollst nicht ehebrechen!"

Denkt an die Anweisungen und Zusicherungen, die der berüchtigte offene Brief des inzwischen verschwundenen Rudolf Heß, der in allen Zeitungen veröffentlicht wurde, über den freien Geschlechtsverkehr und die uneheliche Mutterschaft gegeben hat! Und was kann man sonst noch über diesen Punkt auch hier in Münster an Schamlosigkeit und Gemeinheit lesen, beobachten und erfahren. An welche Schamlosigkeit in der Kleidung hat sich die Jugend gewöhnen müssen: Vorbereitung späteren Ehebruchs! Denn es wird die Schamhaftigkeit zerstört, die Schutzmauer der Keuschheit!

 

Jetzt wird auch das 5. Gebot "Du sollst nicht töten!" beiseite gesetzt und unter den Augen der zum Schutz der Rechtsordnung und des Lebens verpflichtenden Stellen übertreten, da man es sich herausnimmt, unschuldige, wenn auch kranke Mitmenschen vorsätzlich zu töten, nur weil sie unproduktiv sind, keine Güter mehr produzieren können!

Wie steht es mit der Befolgung des 4. Gebotes, das Ehrfurcht und Gehorsam gegen die Eltern und Vorgesetzten fordert? Die Stellung und Autorität der Eltern ist weithin untergraben und wird mit all den Anforderungen, die gegen den Willen der Eltern der Jugend auferlegt werden, immer mehr erschüttert. Glaubt man, daß aufrichtige Ehrfurcht und gewissenhafter Gehorsam gegen die staatliche Obrigkeit erhalten bleiben, wenn man fortfährt die Gebote der höchsten Obrigkeit, die Gebote Gottes, zu übertreten? Wenn man sogar den Glauben an den einzig wahren überweltlichen Gott, den Herrn des Himmels und der Erde, bekämpft, ja auszurotten sucht?

Die Befolgung der drei ersten Gebote ist ja schon lange für die öffentlichkeit in Deutschland und auch in Münster weithin eingestellt. Von wie vielen wird der Sonntag nebst den Feiertagen entweiht und dem Dienst Gottes entzogen! Wie wird der Name Gottes mißbraucht, verunehrt und gelästert!

 

Und das 1. Gebot: "Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!"

Statt des einzig wahren ewigen Gottes macht man sich nach Gefallen eigene Götter, um sie anzubeten: die Natur oder den Staat oder das Volk oder die Rasse! Und wie viele gibt es, deren Gott in Wirklichkeit nach den Worten des heiligen Paulus der Brauch ist, das eigene Wohlbefinden, dem sie alles, selbst Ehre und Gewissen opfern, der Sinnengenuß, der Geldrausch, der Machtrausch! Dann mag man es auch versuchen, sich selbst göttliche Befugnisse anzumaßen, sich zum Herrn zu machen über Leben und Tod der Mitmenschen! "Als Jesu Jerusalem nahe kam und die Stadt sah, weinte er über sie und sprach: Wenn du es doch erkennen wolltest, noch heute, an diesem Tage, was dir zum Frieden dient. Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen.

Sieh, es werden Tage über dich kommen, wo deine Feinde zu Boden schmettern werden dich und deine Kinder und dir keinen Stein auf dem anderen lassen werden, weil du die Tage deiner Heimsuchung nicht erkannt hast." Mit seinen leiblichen Augen schaute Jesus damals nur die Mauern und Türme der Stadt Jerusalem. Aber seine göttliche Allwissenheit sah tiefer, erkannte wie es innerlich mit der Stadt stand und ihren Bewohnern. "Jerusalem! Ich wollte deine Kinder sammeln wie die Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt. Aber du hast nicht gewollt!" Das ist der große Schmerz, den Jesu Herz bedrückt, der seinen Augen Tränen entlockt: Ich wollte dein Bestes; aber du willst nicht! - Jesus sieht das Sündhafte, das Furchtbare, das Verbrecherische, das Verderbenbringende dieses Nichtwollens. Der kleine Mensch, das hinfällige Geschöpf stellt seinen geschaffenen Willen gegen Gottes Willen! Jerusalem und seine Bewohner, sein einst auserwähltes und bevorzugtes Volk stellt seinen Willen gegen Gottes Willen! Trotzt töricht und verbrecherisch dem Willen Gottes! Darum weint Jesus über die abscheuliche Sünde, über die unausbleibliche Bestrafung:

Gott läßt seiner nicht spotten!

 

Christen von Münster!

Hat der Sohn Gottes in seiner Allwissenheit damals nur JerusaIem und sein Volk gesehen? Hat er nur über Jerusalem geweint? Ist das Volk Israel das einzige Volk, das Gott mit Vatersorge und Mutterliebe umgeben, beschützt und an sich gezogen hat? Und das nicht gewollt hat? Das Gottes Wahrheit ablehnt Gottes Gesetz von sich geworfen und so sich in‘s Verderben gestürzt hat? Hat Jesus, der Allwissende Gott, damals auch unser deutsches Volk geschaut, auch unser Westfalenland, Münsterland, den Niederrhein? Und hat er auch über uns geweint? über Münster geweint? Seit 1000 Jahren hat er unsere Vorfahren und uns mit seiner Wahrheit gelehrt, mit seinem Gesetz geleitet, mit seiner Gnade genährt uns gesammelt wie die Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt! Hat der allwissende Gott damals gesehen, daß er in unserer Zeit auch über uns das Urteil sprechen muß: "Du hast nicht gewollt! Seht, euer Haus wird verwüstet werden!" Wie furchtbar wäre das!

 

Meine Christen!

Ich hoffe, es ist noch Zeit; aber es ist höchste Zeit!

Daß wir es erkennen noch heute, was uns zum Frieden dient was allein uns retten und vor dem göttlichen Strafgericht uns bewahren kann:

Daß wir rückhaltlos und ohne Abstrich unser Leben bekennen als katholisch, daß wir die Gebote zur Richtschnur unseres Lebens machen und ernst machen mit dem Wort: Lieber sterben als sündigen!

Daß wir in Gebet und aufrichtiger Buße Gottes Verzeihen und Erbarmen herabflehen auf uns, auf unsere Stadt, unser liebes deutsches Volk!

Wer aber fortfahren will, Gottes Strafgericht herauszufordern, wer unsern Glauben lästert, wer Gottes Gebote verachtet, wer gemeinsame Sache macht mit jenen, die unsere Jugend dem Christentum entfremden, die unsere Ordensleute berauben und vertreiben, mit jenen, die unschuldige Menschen, unsere Brüder und Schwestern, dem Tode überliefern, mit denen wollen wir jeden vertrauten Umgang meiden, dessen Einfluß wollen wir uns und die Unsrigen entziehen, damit wir nicht angesteckt werden von seinem gottwidrigen Denken und Handeln, damit wir nicht mitschuldig werden und so mitanheimfallen dem Strafgerichte, das der gerechte Gott verhängen muß und verhängen wird über alle, die gleich der undankbaren Stadt Jerusalem nicht wollen, was Gott will!

O Gott, laß uns doch alle heute, an diesem Tage, bevor es zu spät ist erkennen, was uns zum Frieden dient!

O heiligstes Herz Jesu, bis zu Tränen betrübt über die Verblendung und die Missetaten der Menschen, hilf uns mit deiner Gnade, daß wir stets das erstreben, was dir gefällt, und auf das verzichten, was dir mißfällt damit wir in deiner Liebe bleiben und Ruhe finden für unsere Seelen! Amen.

Lasset uns beten für die armen vom Tode bedrohten Kranken, für unsere verbannten Ordensleute, für alle Notleidenden, für unsre Soldaten, für unser Volk und Vaterland und seinen Führer.

Vater unser... (Gemeinde stimmt in das gemeinsame Vaterunser ein)

Beachten Sie dazu die Einleitung zum Projekt Historische Predigten!